Management 2020: Es muss einfach einfacher werden
Matrixorganisation nicht mehr aktuell
koch.management 2016
Integration von Management, System, Organisation, Prozess und Qualität
Deutlich mehr als die Hälfte aller in Deutschland ansässigen Firmen haben eine Matrixorganisation.
Es handelt sich dabei um ein Strukturprinzip, nach dem Zuständigkeit und Verantwortlichkeit
aufgebaut werden. Die Leitungsfunktion ist auf zwei voneinander unabhängige, gleichberechtigte
Dimensionen (z. B. Verrichtung und Produkte) verteilt. Die Mitarbeiter berichten an zwei
gleichrangige Weisungsbeziehungen, z. B. die Leiter der verrichtungsbezogenen Abteilungen
Beschaffung, Produktion und Absatz und gleichzeitig an die objektbezogenen Produktmanager. Eine
Matrixorganisation ist somit eine Mehrlinienorganisation. Matrix bedeutet: Leben im ständigen
Dilemma, mit zähen Entscheidungsprozessen, in einer von Konfliktstoff geladenen Umgebung. Einige
Firmen haben versucht, die Matrixorganisation durch ein firmeneigenes Facelift geschmeidiger zu
machen. Wirklich überzeugend im Sinne der Zukunftstauglichkeit sind die dabei herausgekommenen
Strukturen nicht. Das Problem wurzelt darin, dass auch noch so optimierten Strukturen Steifheit
anhaftet.
Gespräche mit Vorständen⁄Geschäftsführern zeigen dasselbe Ergebnis wie die Austausche mit der
zweiten Führungsebene: Die typische Organisation von heute hat Fett angesetzt und ist träge
geworden. Das wird nicht nur durch die Struktur an sich, sondern mehr noch
durch die der Organisation anhaftenden Tools deutlich. Als Beispiel mag die
Balanced Scorecard dienen. Wenn ein Vorstandsmitglied eines Konzerns aus
seinem Sideboard ein DIN-A-3 Blatt mit gerade noch lesbarer Computerschrift
zieht, um mir die kaum noch zu durchdringenden Vorschriften, Regeln,
Normen mit der Bemerkung »Wer soll da noch durchblicken?« vorzulegen,
dann wird drastisch deutlich, was geändert werden muss. Wenn im selben
Konzern seit Jahren die ungelösten Probleme – nicht neue, alte! – nicht
weniger werden, so zeigt sich das Problem an seiner Quelle. Und diese
Quelle ist die Organisation, die sich den Menschen zum Untertan macht.
Dabei muss es umgekehrt sein. Nicht der Mensch muss der Organisation
dienen. Die Organisation muss dem Menschen dienen. Davon haben wir uns
im Laufe der Jahre immer weiter entfernt. Die Matrix ist zum Albtraum
zwischen zwei Dimensionen geworden.
Bei der Organisationsgestaltung werden wir im Denken steif
Unternehmen haben zudem Mammut-Zielbilder, die oft in Teilen bereits
hinfällig geworden sind, bevor sie von allen Adressaten gelesen und
verstanden wurden. Das ist so, weil die Ereignisse an den Märkten nicht stehen bleiben, nur weil
einer der Marktteilnehmer gerade ein neues Zielbild verfasst hat. Man könnte es auch so nennen: Wir
haben alles getan, um uns zu beruhigen, aber genau das kann uns nicht beruhigen.
Stellen- oder Funktionsbeschreibungen sind auch so ein Relikt aus alter Zeit. Dort steht oftmals mehr
drin als nötig, aber nicht unbedingt das, was wichtig wäre: die Festlegung der Verantwortung. Das
Wesentliche ist oftmals unter nichtssagende Allgemeinplätze gemischt. Was soll »Imagepflege der
Firma und Branche« aussagen?
Wie soll das gehen, »Imagepflege der Branche«? »Korrekte Betriebsabläufe« und »Auftragserfüllung«
sind banale Selbstverständlichkeiten, ebenso wie bei einer Führungskraft »Führung, Motivation und
Instruktion der unterstellten Mitarbeiter« in etwa den Wert haben, als würde man in die
Stellenbeschreibung einer Führungskraft »Mitarbeiter begrüßen und verabschieden« schreiben.
Mehrfachnennungen und Selbstverständlichkeiten überfüllen zusätzlich solche Papiere.
Dabei bleibt übersehen, dass aus solchen Papieren nur das in Handlung umgesetzt wird, was der
sogenannte Stelleninhaber im Kopf hat. Alles andere sind Intuitivaktionen des Handelnden, die durch
den gesunden Menschenverstand genährt werden. Wenn einige Theorievertreter oder Praxisanwender
trotzdem behaupten, dass man Stellenbeschreibungen brauche, so halte ich dagegen:
Rollenbeschreibungen mit eindeutiger Klärung der Verantwortung des Rollenträgers und seiner
Einordnung in das Netzwerk: ja. Funktions- oder Stellenbeschreibungen mit Auflistung aller möglichen
Aufgaben: nein. Nicht einmal Kindern hängt man Bilder an den Waschtischspiegel, die aufzeigen, wie
man Zähne putzen soll. Man zeigt es ihnen und lässt es sie danach eigenständig tun. Später, im
Erwachsenenalter, gehen wir in den Betrieben her und entmündigen die zum verantwortlichen Denken
und Handeln erzogenen Menschen, indem wir ihnen filigranste Aufgabenpakete in die Schublade
geben, anstatt den Rahmen ihrer Verantwortung abzustecken.
Wir verlieren unsere Zeit im Mikromanagement
Führung per Aufgabe? Dem Mitarbeiter – oder gar der Führungskraft – sagen, was zu tun ist? Das
gehört ein für alle Mal ausgemerzt. Damit kann man vielleicht Hilfskräften kommen, die simple
Arbeiten zu verrichten haben. Führung per Ziel? Schon besser, aber heute nicht mehr gut genug.
Verändert sich die Situation, können die Ziele nicht einfach unangetastet bleiben. Bleiben sie aber in
aller Regel, weil man unterjährig nicht erneut eine Zielvereinbarungsrunde drehen will, die man in
manchen Branchen – wenn schon – dann monatlich drehen müsste.
Die klassische Matrixorganisation einschließlich ihrer zahlreichen Tools funktioniert nur dort, wo sie
zwar auf dem Papier verbrieft ist, aber in Wirklichkeit nicht gelebt wird. Halten wir fest: Das
Besondere einer Matrix ist die angebliche Entscheidungssicherheit dadurch, dass zwei Linien
aufeinander treffen. Zum einen die hierarchische Linie von oben nach unten, zum anderen die
fachliche Linie von der Seite. Die Begründer der Matrix waren offenbar der Auffassung, dass man
Verantwortung teilen kann und so mehr Verantwortung entstehen würde. Das war schon zu Beginn der
Matrix ein Irrtum und hat sich mehrfach als solcher bewiesen. Verantwortung ist eine Primzahl, die
sich nicht ohne Brüche teilen lässt. Die Erfinder des Automobils haben das sehr früh richtig erkannt,
indem sie nur einen Arbeitsplatz für einen Fahrer vorgesehen haben. Man möge sich vorstellen was
passiert, wenn man das Lenken, Gas geben und Bremsen funktional voneinander trennt und auf zwei
Personen überträgt. In der Matrix passiert das täglich. Mit einem einfachen Ergebnis: Entweder es
entscheidet doch einer und der zweite tut so, als hätte er mit entschieden. Das funktioniert, ist aber
keine Matrix.
Oder man legt die Sache auf Eis. Das funktioniert, wenn man auf Taten verzichten kann. Oder es
kracht gewaltig. Damit ist das Handeln in der Matrix ähnlich, wie es beim Autofahren wäre mit der
Verantwortungsteilung von Lenkung und Motorsteuerung. Nur, dass man in Matrixorganisationen die
Beulen besser verstecken kann als beim Auto.
Aus: http://www.perspektive-blau.de/artikel/1408a/1408a.htm
Organisationen müssen einfacher, transparenter
und schneller werden. Die überholten
Organisationen anhaftende Trägheit durch nahezu
unüberschaubare Komplexität, vermeidbare
Konflikte und Tool-Überfrachtung passt nicht
mehr in die heutige Zeit. Insbesondere die
weitläufig verbreitete Matrixorganisation stammt
aus einer Zeit, als die Zukunft noch
überschaubarer, die Weltwirtschaft
unbedeutender, das Tempo der Veränderungen
gemäßigter und der Wettbewerb beherrschbarer
waren.
Wolfgang Saaman
Haben wir Angst vor dem Einfachen?
Wir müssen nicht mit dem Staubwedel durch die
Organisationen. Auch Restaurierungsarbeiten
können wir uns ersparen. Selbst das im Hochbau
gängige Entkernen schafft nicht die dringend
benötigten Lösungen in Richtung Einfachheit,
Überschaubarkeit, Geschwindigkeit von
Entscheidungen und Prozessen. Abreißen und neu
bauen! So und nicht anders sieht die Lösung aus,
die auf dem Fundament von Denkbeweglichkeit
den scheinbaren Widerspruch von Statik und
Optik auflöst.
Das heißt: nicht modifizierte
Organisationsstrukturen schaffen, sondern in
systemischen Organisationen denken und diese
einrichten. So einfach, dass sie für jeden
überschaubar, begreifbar und lebenswert werden.
Das ist mit einem großen Einmalaufwand
verbunden, der den Mitgliedern der Organisation
von der Fachkraft bis zum Topmanager einiges an
Denkbeweglichkeit und Umstellungsbereitschaft
abverlangt. Der Vorteil einer solchen radikalen
Umbildung stellt sich schnell ein. Denn
systemische Organisationen sind dynamische
Organisationen, die Prozesse beschleunigen,
anstatt sie auszubremsen; die das
unternehmerische Risiko überschaubarer machen,
anstatt mangels Übersichtlichkeit zu
Fehlentscheidungen oder zur
Entscheidungsvermeidung zu verführen; die
Verantwortung in den Mittelpunkt stellen, anstatt
die Anzahl der Absicherungen ins Grenzenlose zu
treiben. Wir brauchen mehr gelebte Spontaneität
in fluiden Systemen, die sich schnell an jeweils
neue Herausforderungen anpassen lassen. Und
»jeweils« kommt zukünftig häufiger, als uns lieb
sein kann.
Der Weg von der Organisationsstruktur hin zum
Organisationssystem eröffnet eine Welt
maximaler Anpassungsbeweglichkeit in einer
fließenden Organisation. Keine steifen
Stellenbeschreibungen, sondern kurzfristig
anpassbare Rollenskripte. Keine
Aufgabendelegation oder Zielvereinbarungen,
sondern Netzwerke mit Rollenverantwortlichen,
die aus der Identifikation mit ihrer
Verantwortung die richtigen Konsequenzen
ziehen. Keine Protokolle oder Skripte in Prosa,
sondern kompakt formuliert in Stichworten.
Anleitung zu mutigem Entscheiden sowie klugem
und schnellem Umsetzen. Strikte Trennung von
Management und Leadership und ebenso von
strategischem Denken und operativem Handeln.